Träumen von Aurora – "Sehnsuchts wogen"

Trollzorn / VÖ: 1.Juni 2012

Ein sehr eigenwilliges „Stück“ Musik kommt mit „sehnsuchts wogen“ von der Bielefelder Band „Träumen von Aurora“ daher. Man wird sich wahrscheinlich schwertun, die Stilrichtung einzuordnen. Es ist das Debüt der Band, da hat man auch keine Vergleichsmöglichkeit. So verwundert es nicht, dass von Atmospheric Black Metal über Gothic und Avantgarde mal wieder alles dabei ist an Zuordnungsversuchen in den einschlägigen Metal-Enzyklopädien. 

Ich persönlich finde viele verschiedene Elemente, die an andere Musiker erinnern: an Dornenreich, Fäulnis, Nocte Obducta, Nebelkrähe, ja sogar an Unheilig erinnert das eine oder andere Element. Aber am Ende sind das nur kurze Augenblicke, vielleicht sind es  auch die deutschsprachigen Texte, die solche Assoziationen wecken. Denn ansonsten handelt es sich um eigenständige Musik, die ich durchaus auch als atmosphärisch bezeichnen würde, auch Avantgarde wäre angebracht, aber mit Black Metal könnte man höchstens das etwas schnellere Gitarrenriffing in Verbindung bringen. Ansonsten hat es musikalisch und textlich mit herkömmlichem BM nichts zu tun. Dafür ist allein schon das Drumming viel zu virtuos, und der Gesang ist viel zu klar und verständlich, wenngleich die Texte mit nicht wenig Schmackes herausgeschmettert werden. Doch nicht nur das, auch gesprochene und geflüsterte Parts sind dabei. Gerne bricht man aber auch mal in den einen oder anderen gegrowlten Schrei aus. Doch am meisten lebt die Musik von den gut durchdachten Texten. Man taucht ab in die Seele des Menschen, spiegelt sein Wesen anhand von Momentaufnahmen und Gedankengängen. Gedankensplitter zum Sinn des Lebens, zu den Beziehungen der Menschen untereinander, zur Natur, zum täglichen Wahnsinn finden ihren Weg in die Texte, aber auch Gedanken an Leere, Liebe und was eine lebendige, oftmals gequälte oder enttäuschte Seele sonst so umtreibt. All das ist in Worte und Reime verpackt, die sehr stilvoll sind und bei denen man auch um die Ecke denken darf und soll. Da hat ein wahrer Freigeist gedichtet...

Wie bereits erwähnt, ist der Gesang das Highlight des Albums, denn er durchläuft quasi alle Facetten, kann sogar, an mancher Stelle untermalt von melancholischen Keyboard-Klängen oder romantischen Gitarrenklängen, sehr weich und herzergreifend werden, wenngleich diese Parts auch immer viel zu kurz sind. Passagen mit mehr Energie und einem etwas räudigen Touch gewinnen immer wieder die Oberhand, aber immer getränkt in unbändiger Leidenschaft. Man bemüht sich, musikalisch Abwechslung reinzubringen, indem man sich von jagenden Gitarrenlinien, gewagten Harmonien, Tempowechseln, Unterbrechungen mit langsamen, melancholischen Parts mit nur wenig Instrumentierung und Melodiegut aus reichem Fundus bedient. Das ist auch oftmals ein großer Genuss, allein die Hingabe beim Gesang ringt dem Hörer mit Sicherheit immer wieder Bewunderung ab, aber auf Dauer zieht es sich dann doch ein wenig bis zum Ende des Albums. Irgendwann hat man sich doch zu sehr an alles gewöhnt und kann nichts mehr aufnehmen davon. Das Album eignet sich wohl also nicht zur Dauerbeschallung bei allem, was man tut, sondern wird wohl nur zu besonderen Anlässen den Weg in die Stereoanlage finden, nämlich wenn es dann doch zur Abwechslung mal recht viel Anspruch sein soll, insbesondere was gelungene Texte betrifft. Rein aufnahmetechnisch hätte man etliches nachbessern können, aber andererseits hat „sehnsuchts wogen“ so nun auch seinen eigenen Charme, nämlich den eines ersten Albums einer aufstrebenden Band, die ihren endgültigen Weg vielleicht noch nicht hundertprozentig gefunden hat und auf ihrem Stelldichein auch erst mal möglichst viel durchprobieren will. Für das Suchen nach Essenzen und qualitative Verbesserungen bleibt in der Zukunft vielleicht mehr Zeit.

Das Album ist in jedem Fall ein sehr gelungenes Debüt mit vielen schönen Momenten und vielen Aha-Effekten. Ich verspreche mir zukünftig sehr viel von der Band, auch wenn mir im Moment noch der letzte Funke fehlt, der das ganz große Feuer entfachen könnte. 

Anspieltip „Reflektionen“                                                                                    7,5 von 10 Punkten

Review von Twilightheart

 

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