Temple of Metal 2012

Obergünzburg, 7. Juli 2012

(Bericht: Surtr)

Im wunderschönen Allgäu findet vor den Toren des gemütlichen kleinen Obergünzburg im Go-In-Club zum zweiten Mal das Temple of Metal Open Air statt. Lohnt allein schon die Anfahrt durch die bildhübsche ländliche Gegend, so kann auch die Festival-Location  mit Gemütlichkeit, Flair und Atmosphäre begeistern. Zwischen altem Turmgemäuer, Waldrand und Clubgebäude erstreckt sich unter einer vor Regen schützenden Zeltplane die überschaubare Festival Area.

Dieses Jahr finden sich viele Bands aus der Umgebung, sowie ein paar Acts aus Deutschland ein, um den Anwesenden den Tag zu versüßen. Allen voran die Headliner "Burden of Grief" und "Tenside".

Leider beginnt das Festival mit über einer Stunde Verspätung. Zwar ist mir der Grund nicht bekannt, doch leider muss ich gestehen, dass aufgrund von Müdigkeit deshalb auch nicht alle Bands in den Genuss kommen konnten, bestaunt zu werden. Hier noch mal Verzeihung an Fear a Knifes Edge und Nasty Nuns.

Den wie gesagt verspäteten Anfang machen Füel aus Kempten, denen man ihre mangelnde Bühnenerfahrung sogleich anmerkt. Statisch und unsauber verläuft der Auftritt. Trotzdem schleichen sich ansprechende Riffs und Refrains in den Hard Rock der jungen Herren. Ein Ohr zu riskieren und über den offensichtlichen Anfängerstatus hinwegzusehen ist nicht verkehrt. Den belanglosen Einheitsbrei bietet das Quartett definitiv nicht. Schließlich schafft es auch noch ein Cover in das Set von Füel: Ein vom Bassintro zwar schon von vornherein zum Scheitern verurteiltes „Ace of Spades“, was aber die Stimmung schon mal auflockert und erste Zuhörer den Text erfreut flüstern lässt. Nur mehr an der Sauberkeit und Bühnenpräsenz schrauben, dann wird was draus.

War bei Füel noch die obligatorische Lücke vor dem Bühnenbereich zu bestaunen, so ziehen Taste of Desolation aus Kaufbeuren mehrere Fans und Freunde vor die Bühne. Die Anwesenden fressen der Band aus der Hand und gehen massivst ab. Ein leichtes Spiel für den Fünfer, der mit seinen brachialen, melodiösen Deathcore-Brocken ordentlich Druck aufbaut. Zwar schleichen sich auch hier ab und an Schnitzer in den Takt, werden aber zu jeder Zeit durch die aggressiven Vocals rausgerissen. Ebenso schleicht sich auch hier ein Cover ein, um den Druckverlust in der Mitte des Sets zu kompensieren. August Burns Red's „Composure“, welches, wenn man den Song nicht kennt, nicht als Cover-Song auffallen würde, da es auch nicht anders klingt als die herkömmlichen Songs der Band. Somit ist auch der Stil gut umrissen. Definitiv hinterlassen die Herren glückliche Gesichter und haben den Gig durch gute Songs und Stimmung arg kurzweilig gemacht.

Danach legen Public Grave aus der Münchner Peripherie los mit brachialer US-Death-Metal- Gewalt. Und zwar ganz im Sinne von groovender Six Feet Under-Rhythmik und Cannibal Corpse-Brutalität.
Konnte ich mir bisher bereits mehrmals vom Werk der Band live ein Bild machen, war ich deshalb eher negativ voreingenommen. Doch die Band belehrte mich eines besseren. Denn heute machte die Band alles richtig. Auch wenn die Vocals anfangs arg zerren, sind die Skepsis und Zurückhaltung der meisten Festivalbesucher eher schwer zu begreifen. Denn hier wird authentische Death-Metal-Kost mit brachialen Vocals geboten (Bad-Ass-Songtitel inklusive a la „Fuck the World“, „I am Sick“). Die lässigen Ansagen, wandeln irgendwo zwischen Antiprofessionalität und Charme, und lassen einen wahrscheinlich aufgrund dieses Gegensatzes zum Schmunzeln bringen. Dem Sänger möchte man sowieso noch anrechnen, dass er derjenige war, der zu jeder Band abgehen konnte wie Schnitzel und selbst fünf Minuten vor Schluss von Taste of Desolation zu ebendieser Band headbangte, obgleich der eigene Auftritt bevorstand. Das nenne ich Passion.
Natürlich ist die Musik von Public Grave in ihrem Genre leicht zur kreativen Sackgasse verdammt, denn Hooks finden sich genauso wenig wie Abwechslung im Arrangement. Aber: So muss das auch sein! Rau, groovend, fett! So lässt sich meiner Ansicht der Gig sowieso auf zwei Worte zusammenfassen: DAT GROOVT!

Voller wird es nun wieder bei Face My Rage aus Isny. Bei der Vierer-Combo regiert Hardcore der alten Schule. Terror, Merauder und Madball regieren die musikalische Zerstörung der Herren. Definitiv haben es diese Jungs verstanden wie man die Leute bei der Stange hält, so kann man von Anfang bis Ende das Wort Vollgas benutzen. Gerade die Maschine am Schlagzeug ist mein Mann des Tages: Technik, Tightness und Feeling für den richtigen Beat an der richtigen Stelle machen sich bezahlt und geben dem Auftritt 100% Energie. Ebenso sorgt der Sänger mit Wut, Hass und Witz für die peitschenden Anheizer. An der Saitenfront wird dagegen brachial gemetzelt. Schub also von vorne bis hinten. Folge: Erster Moshpit und erste Wall of Death, die (und das passiert viel zu selten bei überschaubarem Publikum) stimmig und sinnvoll ist. Den krönenden Abschluss und zahlreiche schmunzelnde glückliche Gesichter zaubert dann die wohl originellste Cover-Version des Planeten. Als der Drummer den simpelsten Beat spielt, lacht es noch aus der Menge: „Hihi, das ist ja Manowar!“ Aber nicht nur dass es so klingt, nein, Face my Rage ziehen es tatsächlich durch und schaffen eine abgespacte Hardcore-Cover-Version des Songs „Warriors of the World United“. Das I-Tüpfelchen eines durch und durch genialen Auftritts!

Danach stellen die ebenfalls aus Kaufbeuren stammenden Choke Upon Your Scorn das Publikum auf die Probe, wie gestählt die Nacken an diesem Abend tatsächlich sind. Mit Single-Note-  Melodic- Death- Metal und moderner Rhythmik aus den Deathcore-Gefilden wird musikalisch ein Headbanger-Brett geboten, das der abgebrühten Schnauze des Sängers ein Fundament liefert, die Location in ihren Grundmauern zu erschüttern. Was anfangs stimmig und außergewöhnlich klingt, leidet alsbald unter sinnlos eingesetzten Breakdowns und eintöniger Struktur im Songwriting. Zwar stellt sich der Fünfer als perfekt eingespieltes Team dar, mit der Marschrichtung „steil geradeaus“, der zündende Funke kommt aber während des gesamten Gigs nicht zum Einsatz. Schade, dennoch authentisch gemachter Live-Einsatz, eventuell beim nächsten Mal klappt es dann auch für mich. Der Meute gefällt es dennoch und damit wäre das Thema sowieso gegessen. 

Aus Bad Saulgau stammt das ebenfalls Core-lastige Geschwader von The Carriage. Diese entpuppen sich als heimlicher Headliner des Abends und zelebrieren Brachialität und Perfektion auf der Bühne wie kein anderer Act des Abends. Bei perfektem Sound gehen die Anwesenden sofort auf die Barrikaden und zollen dem (heute mitgliedsausfallbedingterweise) Vierer vollsten Respekt und Tribut. Die Stilbezeichnung birgt den progressiven Ansatz in sich, kommt für mich aber nicht wirklich zum Tragen. Viel zu straight auf die Schnauze zocken die Herren ihr Set und brillieren sowohl bei ihrem Stageacting als auch bei ihrer Tightness. Die Frontsau von Sänger tigert und wütet über die Bühne und beweist Stimmgewalt von allerhöchster Güte. Auch mit den „Verschleisserscheinungen“ des hochgradig alkoholisierten Publikums weiß dieser geschickt umzugehen indem er einen der Zuschauer, die in ihrer Bierseeligkeit die Bühne stürmen, dazu auffordert, den fehlenden zweiten Gitarristen mithilfe eines Tennisschlägers zu ersetzen. Tata. Gut gelöst. Keinesfalls meine Musik, aber wer so professionell seine Show durchzieht, fängt jeden.

Durch diese Vorlage sackt die Stimmung und auch die Zahl der Zuschauer bei den Headlinern Burden of Grief stark ab. Zu stark haben The Carriage gewütet. Und so erliegen die Headliner dem Programm, welches vor ihnen hauptsächlich Core-Acts bestritten haben. Die Hessen wissen um ihren Status und versuchen würdig ihre Songs, die sich hauptsächlich auf das "Follow the Flames"- und "Death End Road"- Material beziehen, an den Mann zu bringen. Doch ist das Publikum nicht mehr so zahlreich wie zuvor und der Anteil der vom Alkohol benebelten Menschen, denen man in diesem Moment auch Volksmusik andrehen könnte, steigt auf mindestens 50 %. So beisst einer der Fans dem Sänger viermal in den Schuh. Ebenso spielt sowohl auf als auch vor der Bühne der Sound nicht wirklich mit, weswegen die melodischen Meisterwerke des Quintetts sich nicht würdig entfalten können. Hinzu kommt die Tatsache dass „Cold Fire“ aufgrund technischer Unstimmigkeiten bereits nach der Hälfte abbricht und auch nicht neu begonnen wird. Heute ist das kein Headliner-Auftritt. Trotzdem kommen Songs wie „The Nightmare Within“ mit seinem grandiosen Iron Maiden-Harmonien-Part, sowie der Übersong „Rise like a Phoenix“ auch unter diesen Umständen immer noch majestätisch genug aus den Boxen, um die Anwesenden zum Staunen zu bringen. Definitiv habe ich schon bessere Gigs dieser Band erleben können, was aber nicht darüber hinweg hilft zu sagen, dass die Songs für sich stehen und, egal unter welchen Voraussetzungen auch immer, Machtdemonstrationen von einem anderen Stern sind. 
Setlist: Follow the Flames - Swallow the Sun - Cold Fire - Born in Fire - The Nightmare Within - The Game -
The Arms of Death - Aces High - The Killer in Me - Rise like a Phoenix - Running Scared.

Ebenso können Tenside auch nicht auf adäquate Publikumsgröße bauen. Der Sound bei den Münchnern ist allerdings im Gegensatz zu Burden of Grief glasklar und lückenlos auf Hochglanz poliert, weswegen der straighte, moderne Thrash Metal der Herren bedrohlich viel Energie freisetzt, was im Publikum eher mäßig ankommt. Schade. Dennoch: Tenside haben Groove studiert und dozieren nun auf Doktoren-Niveau wie Riffs zu klingen haben, die zum Headbangen animinieren. Mit ordentlich Tempo und Gewalt. So muss das!
5 Jahre ist es her, dass ich das Quartett das letzte Mal gesehen habe. Meine positiven Erinnerungen werden wachgerüttelt mit hochqualitativer Brachialität. Großartig!

Leider setzt wie oben angesprochen danach die Müdigkeit ein, weswegen der Rest des Festivals für uns von Sheol ausfällt. Leider, leider. Dennoch bin ich mehr als positiv überrascht von diesem Event, das trotz der brachialen Musikauswahl sehr gemütlich und einladend war. Kleine Minuspunkte finden sich eigentlich bloß in der überflüssigen Besetzung der Securitys, die obgleich ich mehrmals den Eingang passierte, nicht immer nach meinem Bändchen fragten, und auch die Menge nicht effektiv vor den Pyros auf der Bühne beim Auftritt von Burden of Grief schützte. Trotzdem: Gerne wieder.

 

 

 

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