Ragnarök Festival 2012

Lichtenfels (Stadthalle), 13./14.04.2012

(Bericht: Surtr + Twilightheart)

Surtr: Das Ragnarök Festival ist eine Institution für den Folk/Pagan/Viking Metal-Sektor, das dafür bekannt ist, die alten Helden, die angesagten Truppen und viele Spezialitäten auf die Bühne zu holen, jedes Jahr Abwechslung ins Billing zu bringen, was bei einem auf Dauer eher beschränkten musikalischen Metier doch bemerkenswert ist.

Meine Anreise zum Festival war mit Umständen verbunden, von denen ich lieber nur sagen möchte, dass sie einen tatsächlich zum Aberglauben treiben, dass der Freitag der 13. ein echter Pechtag ist (Autobahnraser seht euch in Zukunft vor!). Sie haben mir eine Verspätung vom anderen Stern eingebrockt, weswegen ich erst zum zweiten Song von Agalloch anwesend war. Meine Laune war dementsprechend am Boden. Gerne hätte ich die Auftritte von Waldgeflüster und Voluspaa gesehen. Zum Glück war Twilightheart bereits vor Ort. Trotzdem ein Auftakt für das Festival auf den ich nicht besonders scharf war. (Surtr)

Twi: Ich dagegen verbrachte natürlich den ersten Festivaltag in Sorge um Surtr. Denn obwohl ich ja sonst nicht abergläubisch bin, hatte auch unsere Reisetruppe mit dem Auto direkt mal eine kleine Panne. Schlimmeres ist nicht passiert, weil eine andere Fahrerin auf der Autobahn im Vorbeifahren noch rechtzeitig durch wildes Gestikulieren Bescheid gegeben hatte, dass unser Reifen einen Platten hat. Somit hieß es natürlich halten und dankbar sein, dass ein Mann „an Bord“ war, der natürlich wusste, wie man den Reifen innerhalb von 10 Minuten wechselt. Super Sache!

Manu:

Abinchova sollten eigentlich den Slot des Openers besetzen, aber da kam der Band wohl Krankheit oder dergleichen in die Quere, denn als Erste standen dann die Mitglieder von Imperious auf der Bühne. Gleich von Null auf Hundert Pagan-Metal mit Black-Einflüssen um die Ohren gehauen zu bekommen, ist natürlich auch nicht jedermanns Sache. Und wie es immer so ist bei der Eröffnungsband, hielten sich die Headbänger vor der Bühne noch zurück. Doch dies lag keineswegs an dem, was die Bayern von Imperious boten, sondern wohl doch eher am niedrigen Bier-Level, dem „Erstmal-richtig-ankommen-wollen“-Gefühl unter den Fans. Imperious boten durchaus ernsthafte Musik mit viel Gehalt, bemühten sich auch redlich auf der Bühne, diese dem Publikum  zugänglich zu machen und ernteten entsprechend verdienten Achtungsapplaus.

Danach konnte man zur zweiten Bühne wechseln, wenn man wollte (denn wie bereits in den Vorjahren erfolgreich „getestet“, wurden wieder 2 Bühnen bespielt), allerdings ist es beim Ragna ja so, dass durch den gekonnten Aufbau/Standort der Bühne fast von überall gut gesehen wird. Dort ging es ernsthaft weiter mit Velnias aus den USA, die schwarz angehauchten Doom/Folk spielen, also eine ganz sagenhafte Mischung. Nicht umsonst war die Band schon mit Agalloch auf Tour, denn Fans der letztgenannten, die Anspruch und große Kunst mögen, werden sicherlich auch Velnias etwas abgewinnen können. Sie zockten 3 lange Songs mit vielen kniffligen Extras und viel Hingabe und Detailliebe in der Komposition. Besonders der Frontmann (wenngleich er auch ans Mikro „gefesselt“ war, weil er gleichzeitig noch eine der beiden Gitarren bedienen musste) schien besonders emotional in die Sache vertieft zu sein. Mit zum Teil geschlossenen Augen inbrünstig singend/schreiend, konnte er ordentlich Eindruck bei den Zuschauern schinden. Genau wie bei der ersten Band auch machte der Sound hier und da etwas zunichte, aber offensichtlich ist das beim Ragna zu schwierig, das wirklich richtig gut hinzukriegen (es sei denn, irgend eine Band verbrät eine Stunde mit Soundcheck, was aber auch wieder extrem nervig wäre).

Nun wurde es für mich spannend, wusste ich doch, dass „unser“ Surtr das Intro für den nun folgenden Voluspaa-Gig eingesprochen hat (zusammen mit einer Dame), denn das Intro war eigens an die Besucher dieses Festivals gerichtet. Zwar verstand man es akustisch nicht wirklich so gut, und auch mein Versuch, es mit dem Diktiergerät für Surtr aufzunehmen, weil er ja durch viel Pech noch nicht angekommen war, scheiterte, aber ein breites Grinsen entlockte es mir doch. 

Zuvor sei noch gesagt, dass die Band schon beim Soundcheck interessant zu beobachten war, denn ihr Frontmann schien mir ein absoluter Perfektionist zu sein. Es brachte ihn beinahe an den Rande eines Wutausbruchs, dass das mit dem Sound nicht so hinhaute, wie er es sich vorstellte. Nachdem zuviel Zeit dafür draufgegangen war, ging es aber auch umgehend los und sofort bei den ersten Tönen wurde klar, warum der Soundcheck so wichtig gewesen war. Die Musik der Norweger ist extrem anspruchsvoll und will ordentlich präsentiert sein. Hauptacteur Freddy Skogstad verwirrte zunächst durch sein geschniegeltes und gebügeltes Outfit (weißes Hemd), aber der Eindruck täuschte. Die Musik hat nichts Biederes an sich, sondern war ein Ohrenschmaus. Es schien, dass die Aura von Mr. Skogstads Ahnen förmlich durch ihn herausdrang, um sich in dem Viking/Black-Metal Voluspaas zu manifestieren. Die Musik dieser Band gehört zu jenen, die man nicht eben mal auf einem Festival voll aufnehmen kann, höchstens ansatzweise. Erst auf CD entfalten sich die ganzen Facetten mit aller Wucht. Also unbedingt mal antesten, wer die Norweger noch nicht kennt. 

Danach hing ich ein Weilchen bei der Autogrammstunde von Waldgeflüster fest. Es ist halt ungemein komisch, wenn eine Band, deren Frontmann komplett ernsthafte Sinnestiefe und Unerschütterlichkeit ausstrahlt, von herumalbernden Fans bzw. in diesem Fall Freunden zum schmunzeln gebracht wird. Beinahe hätte ich es gar nicht mitgekriegt, dass die Autogrammstunde gerade stattfindet, aber zum Glück ist der Ort der Signingsessions ja so zentral im Eingangsbereich gelegen, dass man immer mal wieder zufällig vorbeikommt. Trotzdem wissen oftmals nicht alle Fans, wann dort welche Band sitzt, so dass es, wenn es dumm läuft, vorkommen kann, dass auch bei einer relativ beliebten Band kaum Autogrammjäger anstehen (ganz besonders nicht, wenn gleichzeitig eine andere gute Band gerade nebenan live spielt). 

Es gibt Musiker, die sind definitv nicht „totzukriegen“. So auch einige Mitglieder von Mithotyn, die nun in der schwedischen Death-Metal-Band King of Asgard ihr Unwesen treiben. Zugegeben, meinen persönlichen Musikgeschmack treffen sie nicht, und ich bekam vom Gig sowieso nicht soo viel mit, denn wie bereits erwähnt, hatte es mich doch längere Zeit zur Autogrammstunde von Waldgeflüster gezogen. Insofern hielt es mich nicht allzu lange vor der Bühne, aber allein die Spielfreude, die die Herren auf der Bühne an den Tag legen, war beachtlich. Vor allem fiel der absolut agile Drummer auf, der beinahe sportliche Höchstleistungen an seinem Instrument vollbrachte. Ich weiss es nicht, aber manchmal habe ich das Gefühl, je länger es eine Band gibt und je öfter diese live unterwegs ist, umso besser trennt sich die Spreu vom Weizen; und wer am Ende trotz eines gewissen Alters noch live unterwegs ist, derjenige gehört wirklich zu der Art des alten Eisens, die für die Bühne geboren sind und sich weder von den veränderten Bedingungen des heutigen Musikgeschäfts entmutigen lassen noch von sonstigen widrigen Dingen die Lust auf die Bühne nehmen lassen. Die sehen das Publikum und ziehen ihr Ding durch und genießen es jedes Mal, einfach live zocken zu können und die Reaktion der Fans direkt zurückzubekommen. Hut ab vor solchen Musikern, zu denen auch King of Asgard gehören. 

HEOL Telwen.... wie oft habe ich diesen Bandnamen schon gelesen, aber erst beim Ragnarök-Festival kam ich in den Genuss, die Band einmal live zu sehen. In gleißendes Licht getaucht wurde die Aufmerksamkeit zuerst auf den Schlagzeuger gerichtet, der mit ganz viel schweißtreibender Schwerstarbeit zu beeindrucken wusste. Als nächstes wurde man mit dem Widerspruch konfrontiert, inmitten dieses Black-Metal-Batzens mit einer Flöte konfrontiert zu werden. Diese harmonierte aber erstaunlicherweise unglaublich gut mit den jagenden Gitarrenlinien. Das ganze nennt sich dann Celtic/Black. Wow! Die Veranstalter des Festivals versuchen wirklich, möglichst viele Stilrichtungen innerhalb des Pagan-Folk abzudecken, soll heissen, dass sie im Laufe der Jahre (trotz natürlich prozentual überlegenem Black/Viking-Folk-Anteil) immer wieder Schmankerl aus allen anverwandten Stilrichtungen herangekarrt haben. 
Der Gesang von HEOL Telwen, bzw. das Growling in den eher blackmetallischen Sequenzen wusste nicht ganz so zu überzeugen, wurde aber andererseits durch Passagen mit klarem Gesang erheblich aufgewertet. Zum Headbängen eignete sich die zum Teil hochmelodische Musik eher nicht, trotz allem war die Halle voll und viele wollten sich dies nicht entgehen lassen, zumal die Musik dieser Band einfach aus jeglichem Einheitsbrei heraussticht.

Danach gab’s ein weiteres Highlight des ersten Festivaltages: Waldgeflüster waren ausgezogen, um das Ragnarök das „Fürchten“ zu lehren. Für die Münchner mag es unvorstellbar gewesen sein, dass Waldgeflüster nicht jedem bekannt sind, aber in Lichtenfels gab es doch genügend, die die Band wohl zum ersten Mal live gesehen haben. Und eben jene standen dann wohl staunend in der Fanmenge und ließen sich treiben von den gewaltigen Naturhymnen der Band, welche an diesem Tag sehr gut drauf war und wirklich wie ein Donnergrollen über die Köpfe der Zuschauer hinwegfegte. Nicht wenige Kollegen bezeichneten sie hinterher als DIE Überraschung des Festivals. Soweit es der Sound hergab, holten sie wirklich das Beste heraus und vor allem Frontmann Winterherz sang und growlte, als ginge es um sein Leben. Der gesamte Gig war wirklich ein absoluter Hochgenuss. Songstellen, an denen der Takt gewaltig und brachial ist, gibt es bei Waldgeflüster ja genügend, so dass auch Leute, die nur gerne mal den Nacken trainieren, hier fast durchweg headbangen konnten. Vor allem die Stücke vom ersten Album wie „Herbst befiel das Land“ oder „Wotan Sang“ passten natürlich hervorragend zum Ragnarök-Festival und ernteten entsprechend satten Applaus. Der Bruder von Sänger Winterherz, welcher auf dem „Fermundsmarka“-Album oftmals mit zu hören ist, kam als weiteres Highlight für einen Song mit auf die Bühne und gemeinsam schmetterten die Bruder ihre gewaltigen Stimmen in die Halle. Ich denke, Waldgeflüster sind eine Bereicherung für jedes Festival, und dass man sie zu so einer guten Zeit (gegen 19 Uhr) spielen ließ, war absolut gerechtfertigt. Wotan rising zur frühen Abendstunde....  perfekt!

Leider hielt mich ein Treffen mit einem alten Bekannten davon ab, den Beginn des Mistur-Gigs zu sehen. Und das, wo doch Mistur eigentlich auf der Pflicht-Liste stehen, zumindest seit der Bassist von Mistur bei Kampfar die Gitarre bedient. Doch was ich vom Rest des Gigs zu sehen bekam, war schlichtweg gewaltig. Die Fans waren schon seit Gigbeginn bis nach draußen zu hören gewesen, wie sie mit „Hey, hey“-Chören im Takt mitgröhlten, währen die Norweger ihr Black-Metal-Geschoss mit Folklore-Einflüssen zum besten gaben. Energisch-tiefer Growlgesang vom Frontmann sowie zusätzlicher Klargesang der Musiker machten das ganze zu einem Hörgenuss. Dazu die treibenden Gitarrenlinien und die heroischen Keyboardharmonien... die Musik ist einfach unglaublich ansteckend und das Publikum war bis zum Schluss Feuer und Flamme. Ich glaube, mit dieser Band kann man live nichts falsch machen.

Danach gab’s mit Rabenschrey das ganz große Kontrastprogramm. Nicht unbedingt musikalisch, denn Metal mit Mittelalter-Rock gemischt gibt’s ja zuhauf, aber zumindest von der lockeren Art des Auftretens her und der Kleidung (schwarz/weiß und eigentlich sehr ordentlich, wenn da nicht die bizarr geschminkten Gesichter gewesen wären). Allerdings wage ich zu behaupten, dass es Mittelalter-Bands gegeben hätte, die mehr hergemacht hätten. Das Publikum, das zum Teil schon in Feierlaune war, machte zwar trotzdem fast alle Späße mit, derer es reichlich gab (Textzeilen nachsingen usw.), allerdings musste sich der Frontmann der Band auch den Mund fusslig reden, um das zu erreichen. Aber gut, „Heiden tanzen“ mitzusingen scheint genau das zu sein, was die Besucher des Festival mitgrölen wollten, also sei ihnen der Spaß gegönnt. Ich persönlich fand die Folk-Mittelalter-Elemente in der Musik weitaus interessanter als den Gesang, aber lustig anzusehen war der Frontmann schon, wie er da unermüdlich die Fans anfeuerte und am Ende dadurch wohl auch ein paar Fans hinzugewonnen haben könnte. (Twi.)

Surtr: 
Wie bereits oben erwähnt, war ich erst ab Agalloch zugegen. Nach einem athletischen Sprint über den Parkplatz zur Abendkasse, um dort den Pass zu holen, und nach den letzten Metern zur Halle war ich endlich anwesend und war sofort mitten drin in der magischen Welt der Band aus Oregon. Seit mehreren Jahren warte ich auf die Gelegenheit die Band live zu sehen und endlich endlich hat es nun geklappt.
Nachdem ich nur noch die letzten Töne von „Ghosts of the Midwinter Fires“ hören konnte ging es gleich weiter mit „Falling Snow“, einem der melodischsten Songs von Agalloch. Die Menge war hellauf begeistert und so weit das Auge reichte, flogen Haarmähnen durch die Luft. Die Musik der Portlander war für die meisten klar das Ereignis des Tages, denn so voll konnte ich die Halle nur noch bei zwei anderen Bands auf diesem Festival vorfinden.

Mit mehr Bewegung als ich es von einer Band wie Agalloch erwartet hätte zockte sich das Quartett durch sein Set, das stark auf die Ashes Against the Grain-Scheibe ausgerichtet war, so fanden neben dem bereits genannten Song und dem Opener „Limbs“ auch noch die ersten beiden Stücke der Trilogie „Our Fortress is Burning/Bloodbirds“, also insgesamt drei (oder auch vier) Stück ihren Weg auf die Liste. Vom neuen Album wurde auch noch „Into the Painted Grey“ zum Besten gegeben, welches live leider nicht überzeugen konnte, so leidete die Darbringung an den verschiedenen Harmonien, die von Gitarristen-Duo Haughm und Anderson zu lässig bis schlampig gespielt wurden. Dafür konnte die Band alles wieder gut machen beim kolossalen 15-Minuten-Kracher „In the Shadow of our Pale Companion“. Dieser Song funktioniert live so dermaßen gut, gerade die Drei-Minuten-Steigerung gegen Ende die ihren Höhepunkt in einem Sweeping-Lick findet, beweist einmal mehr, dass Agalloch ihre Musik nach dem alten Prinzip spielen, welches für Nachhaltigkeit steht: Sich nicht unter Wert verkaufen, aber auch nicht in Sphären wagen, die einem nicht liegen. Genau die Mitte treffen Agalloch punktgenau, was ihre Beliebtheit erklärt. So feiert die komplette Halle jeden Part ausgiebig. Grandios! Die Zugabe-Rufe am Ende des Sets reissen nicht ab und so entern Agalloch tatsächlich noch einmal die Bühne und machen mich dann noch einmal erneut wahnsinnig glücklich: Mit der Coverversion des Sol Invictus-Songs „Kneel to Cross“, dessen Anfangsmantra „Summer is a-coming and arise“ a-capella vom Publikum lauthals mitgesungen wurde. Einer der Coverversionen, die aus einem schlechten Song etwas Großes gemacht haben! Somit endet das mitunter beste Konzert des Festivals. Setlist: Limbs - Ghosts of the Midwinter Fires - Falling Snow - Into the Painted Grey - Our Fortress is Burning/Bloodbirds - In the Shadow of our Pale Companion - Kneel to the Cross.

Die Überraschung schlechthin für die beiden Sheol-Redakteure ist dann wohl A Forest of Stars. Übermäßig beeindruckt von diesem gewaltigen Gentleman-Doom-Monstrum hat man bereits nach fünf Minuten schon den grandiosen Auftritt von Agalloch vergessen. Die Diskussion, ob diese Band mit dem Rest des Billings zusammenpasst, drängt sich gleich zu Beginn auf, denn vom äußerlichen erinnert das Bild ein wenig an The Vision Bleak. Tatsächlich frönen die Engländer ähnlich wie die Thüringer den alten Zeiten zum Jahrhundertwechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert. Aber ob es passend ist, kann einem auch egal sein, denn allein die Tatsache, die Gelegenheit zu bekommen dieser überdimensional guten Band beiwohnen zu dürfen macht dankbar und jedwege Diskussion überflüssig. 

Musikalisch bietet der Wald aus Sternen eine ereignisreiche Mischung aus Doom, Gothic, Black Metal und Folk. Der erste Eindruck ist: „Darf es noch ein wenig Anathema sein?“ Tatsächlich erinnert die Musik im ersten Moment doch stark an die Frühwerke der Landsleute, doch im Laufe des Auftritts kommen auch noch andere etwaige Einflüsse zum Vorschein wie Ghost Brigade, Agalloch, Fen oder auch My Dying Bride. Tatsächlich stellt sich für mich am Tag später heraus, dass die Violinistin und Sängerin der Band sogar schon ihren Beitrag bei My Dying Bride leisten konnte. 

Die Mischung aus düsterem schleppendem Doom und atmosphärischen Black Metal mit mehreren experimentellen Folkpassagen, wird besonders intensiv unterstrichen durch die atemberaubend kräftig und emotional wirkende Stimme des Sängers, welcher durch seine Leistung die Anwesenden aus dem Staunen nicht mehr heraus bringt und mir das Maximum an Respekt abringt. Ein mehr als lohnenswerter Auftritt und passend eingesetzter Rausschmeißer für den ersten Festivaltag.

Samstag

Der zweite Tag beginnt mit Viking Metal aus Norwegen. Thurs aus Stavanger sind neu im Geschäft und haben bisher nur ein Album am Start und spielen auf dem Ragnarök Festival ihr – volle Hand ausgestreckt – fünftes Konzert. Man merkt der Band ihre Unerfahrenheit an, denn die Band strahlt noch wahnsinnig viel Unsicherheit auf der Bühne aus. Während die Gitarrenfront bewegungslos am Rand verharrt, und auch der Sänger nicht viel mehr Druck nach vorne gibt, versucht der Bassist durch viel Laufarbeit zu retten. Seine Posen wirken dabei jedoch arg aufgesetzt und erinnern eher an die Performance einer großen Heavy Metal Band die eine Riesenbühne zockt (Abbath lässt grüßen). 

Musikalisch bewegen sich Thurs auf einer Mischung aus Viking und Black Metal. Gut in der Basis, bloß ein wenig langweilig auf Dauer. Trotzdem lässt sich die Hommage an Immortal und Isengard nicht verleugnen. Ein wenig mehr Live-Erfahrung, dann traue ich der Band noch einige große Würfe zu. 

Das Münchner Urgestein Sycronomica gibt sich nun die Ehre mit Keyboard-lastigem Black Metal a la Dimmu Borgir die Frühaufsteher zu beschallen. Sänger Olli macht wie gewohnt als Frontsau einen übermäßig guten Job und brilliert durch sein bestechend keifendes Stimmorgan. Dieser Hingucker-Leistung stehen ihm seine Bandmitglieder in nichts nach und so werden Songs wie „Für die Ewigkeit“ und das neueste Machwerk „Neverest“ übermäßig tight und stimmungsecht vollführt. Bei letzterem wird die Menge dazu aufgefordert ordentlich Stimmung zu machen für den Videodreh zum Song. Belohnt wird man mit einem Frühschoppen in Form von Jägermeister, der von der Band Wolfchant im Fotograben ausgeschenkt wird. Die Menge gerät allerdings mehr in Bewegung um die Freidrinks zu ergattern als tatsächlich zum Song selber. Schade, denn dieser beginnt mit Shining-Facetten und weitet sich dann neben typischem Schwarzmetall-Trara in ein herrliches Solo, welches von seiner technischen Seite her, heute einzigartig bleiben wird. Den Abschluss bildet das allmächtige „To the Rivers End“, welches live einfach noch bombiger funktioniert als auf Scheibe. Ein Auftritt, der nichts missen lässt aber an der uneingestimmten Festivalgemeinde zu Bruch geht. Stimmung will noch nicht so wirklich aufkommen. Trotzdem wirklich gut gemacht!

Ebenfalls schwarz, bloß ohne Melodie und Keyboard, dafür umso rauer geht es mit Impiety weiter. Die wohl härteste Band des Billings setzt an die Stadthalle nach Strich und Faden zu zerstören! Anfangs war ich aufgrund der Nationalität der Band im Billing überrascht, denn soweit mir bekannt war, hatte die Band ihren Sitz trotz der Herkunft Singapur des Sängers in Italien. Dazu gab mir Sänger Shyaithan nach dem Konzert die Info, dass auch vor Impiety das Besetzungskarussell nicht halt machen konnte. Weswegen die Band nun zu zwei Dritteln aus Singapur und zum anderen aus Australien kommt.

Impiety haben jedenfalls die Ehre mit ihrem sehr sehr schwarzen Thrash Metal Lichtenfels zu zerstören, was sie auch mit der Macht einer Dampfwalze tun. Blutüberschüttet und ascheverschmirrt legt das Trio ein Tempo vom anderen Stern vor. Brachiale Old School-Riffs reihen sich an Blastbeats und Vocals, die ebenso auf der Pleasure to Kill von Kreator und der Inri von Sarcófago hätten Platz finden können, dazu das unverschämt rotzige Feeling der Band, die bei mir allein durch ihre Umsetzung des Konzeptes die Haut vom Körper runterzockt. Songs wie „Dominator“ oder „Torment in Fire“ setzen dem ganzen dann nur noch die gebürtige Krone auf. War mir die Band damals als Vorband von Gorgoroth schon mehr als positiv aufgefallen können sie heute endgültig klarmachen, dass ich mir verdammt nochmal ihre CD's zulegen muss, denn das Herz der alten Schule schlägt gewaltig höher.

Weiter geht es nun mit traditionellem heidnischem Metal aus Thüringen. Mir gefällt dieser Auftritt von XIV Dark Centuries recht gut, obwohl mir das Konzept hinter der Band schon immer zu „08/15“ war. Doch die Melodien greifen verdammt gut und der nervende aufgesetzte Männergesang setzt sich auf der Bühne glücklicherweise nicht so penetrant durch wie auf Platte. Das gibt einen Pluspunkt, denn das „Ohoho“ der meisten Bands mit heidnischem Hintergrund geht mir um ehrlich zu sein arg auf den Senkel. Das dürfen meiner Ansicht nach sowieso nur ganz wenige Bands ohne lächerlich dabei zu klingen. Angefangen bei Bathory, zu Moonsorrow und Negura Bunget.

Die vierzehn dunklen Jahrhunderte streichen pro Song immer mehr Wohlwollen bei mir ein, denn die Herren scheinen sich auf der Bühne ordentlich wohl zu fühlen. Was sich auf die seelige Fangemeinde ausweitet, die ihre Helden ohne Unterlass feiert. Songs wie „Skithingi“ stechen besonders heraus. Definitiv nicht schlecht gemacht. 

Das Traditionsgeschwader Wolfchant reißt nicht ab und so kommen die Jungs um Wolfchant auch in den Genuß ihre Hymnen anzustimmen. Hat mir schon überraschenderweise XIV Dark Centuries imponiert können diesen Sack Wolfchant dann endgültig zumachen. Habe ich diese Band innerhalb des letzten halben Jahres doch dreimal sehen können, so beeindrucken sie mich heute doch überstärkstens. 
Nach anfänglichen Mikrofon-Problemen und dem Versuch das Backgroundmikro als Spare-Mikrofon zu verwenden, kann der Gig dann auch richtig losgehen.

Mit einer Lässigkeit vom Herren und einer übermäßigen Spielfreude rocken sich die Bayern durch ihr melodiöses Schlachtpaket. Der Pluspunkt ist mitunter der Einsatz der beiden Sänger, der Druck nach vorne geht dadurch während dem Set nicht wirklich verloren. Durchgehend wird die Meute angehalten Stimmung und Party zu machen, was diese sich nicht zweimal sagen lässt. Trotz einiger kleiner Spiel-Schnitzer schiebt die Instrumentalfront brachial nach vorne. Stillstehen: inakzeptabel, ein Abwenden: unmöglich! 
Dazu noch die Zuckerperle „Call of the Black Winds“ und spätestens nach diesem Song ist klar: Wolfchant sind eine der heißesten Eisen im Feuer des Billings! Hut ab!

Anspruchsvolle Schwarzmetallkunst. Das fällt einem ein wenn man an Dark Fortress denkt. Und erst recht wenn man an große Momente wie das Bavarian Winter Battle 2011 zurückdenkt, bei welchem die Band ihren meiner Ansicht nach besten Auftritt absolvieren konnte. Heute ist die Truppe dagegen desolat und langweilig, trotz des All Star Teams auf der Bühne, welches, neben dem Kern der Band, Ersatzmusiker wie Bassist Tobias Ludwig (Thulcandra, Wraithcult) oder Gitarrist Ar (Secrets of the Moon, Odem Arcarum) beinhaltet.

Zwar gibt die Band von Anfang an Vollgas. Aber der Funke will nicht überspringen, viel zu nichtssagend kommen die Songs heute von der Bühne, ohne Druck und Aussage. Da gehen Kracher wie „Catawomb“ gänzlich im Nirgendwo verloren. Und wer will eigentlich noch das langweilige „Baphomet“ hören? Von den peinlichen pseudobösen Ansagen des Sängers will man lieber gar nicht reden. Der Stolz den man sich von einer Walze wie Dark Fortress auf der Bühne als notwendiges Stilelement erwartet bleibt aus und so kommt der Auftritt trotz der Tightness nicht wirklich professionell rüber. Nun ja, wenigstens weiß man, dass die Band es beileibe tausendfach besser kann. Beim nächsten mal wieder.

Fejd, die akustische Rebellion! Ich bin kein Fan von arg übertriebener Folk-Melodie-Ansammlung. Von daher sei es mir verziehen, wenn Fejd meinerseits nur halbherzige Aufmerksamkeit geschenkt bekommen haben. Im Nachhinein setzt sich allerdings erst fest, was ich da eigentlich gesehen habe: Gnadenlose Perfektion! 

Es lässt sich mit dem aussagekräftigen Bild beweisen, dass Fans ihre Haare fliegen lassen zu Songs die ohne Metalgitarre auskommen. Das beweist zum einen den intelligent gestrickten Inhalt der Songs und zum anderen dass Fejd mitunter neben Skyclad der heimliche Headliner des heutigen Abends sind. Ebenso sind sie auch eine der wenigen Bands die eine (oder waren es sogar zwei?) Zugabe(n) spielen.

Wer an Primordial und deren keltische Interpretation von Black Metal denkt kommt nach längerer Zeit auch an deren Landsleuten Mael Mórdha nicht vorbei. Diese sind zwar musikalisch mit Primordial nicht zu vergleichen, sollten aber nicht minder ernst genommen werden. Das Konzert gleicht aber eher einem Tritt in die Mülltonne. Die kleine Schar an Hörern, die dem Schauspiel um den in Kriegsbemalung und mit Rufhörnern einlaufenden „Geheimtipp“ beiwohnt, beäugt das Ganze eher halbherzig. Was sich im Laufe des Auftritts zu einem zwar nur leicht anwachsenden aber dafür doch hingebungsvollen Publikum mausert. Der Sound spielt aber nicht ganz so sehr mit und auch die Band selbst wirkt deplaziert und gedanklich abwesend. Die Atmosphäre kommt alles andere als zum Tragen, im Gegenteil: Sie wird zerstampft. Schade, da hätte ich mir mehr erwartet. Trotzdem gibt es noch Tributzollung an Bathory mit „Vinterblot“ und das an Pete Steele gewidmete „Realm of Insanity“. Naja wenigstens das.

Einer der Bands, die mitunter dafür verantwortlich ist, dass die Musikrichtung, auf die das Ragnarök Festival spezialisiert ist, überhaupt existiert, gibt sich auf eben diesem nun die Ehre: Skyclad. Man sollte meinen, dass gerade wegen der Geschichtsträchtigkeit die Halle voll sein sollte. Leer ist sie sicher nicht aber mehr Publikum hätte ich mir schon gewünscht. Dafür sind die Anwesenden am Ausrasten als die Heroen des Folk-Metal die Bühne betreten, ohne großes Bühnenaufbau-Pipapo und Kleidungs-Schnickschnack. In Straßenklamotten entern die Briten die Stadthalle und rocken sich durch ihr Set, was mit 45 Minuten meiner Ansicht nach viel zu kurz bemessen ist. Thrash Metal ist nun die Instanz, welche die Jung-Wikinger zum Feiern bringt. Sänger Ridley macht an diesem Abend seinen Job sogar so gut, dass ich mich mehrere Songs gar nicht auf den Rest der Band konzentrieren will. Soviel Hingabe und Gefühl in die doch recht belanglose Stimmarbeit bei Skyclad zu legen. Respekt! Songs wie „One Piece Puzzle“ oder „The Widdershins Jig“ tun ihr übriges um die laut mitsingende Fangemeinde zu überzeugen. Als ich mir in der Mitte des Sets ein kurzes Päuschen auf der Tribüne gönne komme ich nicht umhin auf das kleine Dreiergrüppchen hinzuweisen, welches sich einen kleinen Wettkampf liefert wer textsicherer in der Runde ist. Das sind die Momente, welche einem einen an sich schon brillianten Auftritt zusätzlich versüßen. Herrlich, ich war dabei!

Eine Legende des US-Black Metal steht nun in Lichtenfels auf der Bühne: Proscriptor, der Finsterling und Schlagwerk-Malträtierende von Absu haucht die Stadthalle in schwer konsumierbare Dunkelheit der alten Schule. Songs wie „The Sun of Tipareth“ hämmern wie der Richterhammer am jüngsten Tag. Das texanische Trio markiert auf einer nebligen Bühne den Höhepunkt ihrer Karriere. War die Show der Tour mit Pantheon I für mich nichtssagend und bedeutungslos im Hinterkopf geblieben, machen die Herren heute alles richtig. „Manannán“ fetzt am gnadenlosesten und unterstreicht wie wuchtig druckvoll dieser Gig von statten geht: Kurzweilig,  rasant und mit pompöser Ansagezelebrierung. Mehr gibt es bei solch einem Gig nicht zu sagen, außer: Blanker Wahnsinn!

Urgesteine: Neben Skyclad zählen auch Einherjer dazu. Und diese machen aus ihrem Headliner-Slot wahrhaftig alles was man rausholen kann: Ein wenig abgeklärt, trotz nicht allzu häufiger Bühnenpräsenz, zwar, aber immer noch zu begeistert ob der Gelegenheit erneut auf dem Ragnarök spielen zu können. Die Herren fühlen sich hier sichtbar wohl. 

Das lassen sie das Publikum spüren, denn heute soll keiner unzufrieden nach Hause gehen. Alle Alben bekommen ihren Platz im Set: Neben neuen Krachern wie „Varden Brenne“ (Jippie!) kommen tadellose Reißer wie „Odin owns ye all“ oder „Crimson Rain“ zum Tragen. Natürlich darf am Ende ein „Ironbound“ nicht fehlen. Perfekt gemacht. An der Instrumentenfront wird nicht gezaudert. Tight wie Seuche! Dieses Prädikat hat sich die Band verdient. Einzig der Gesang Grimars wirkt ein wenig schwach und kehlig. Einziger negativer Aspekt. Ansonsten ein würdiger Auftritt.

Was habe ich mich auf Moonsorrow gefreut. Die Band die mit ihrer Musik Bilder zu erzeugen weiß, die nur auf IMAX-Kino Leinwände passen und Material für vollkommenen Seelenfrieden in der Hinterhand hält. Schön ist es immer wieder erneut einem Moonsorrow-Auftritt beizuwohnen, da die Sets immer wieder variieren und somit immer wieder neue Schmuckstücke ans Tageslicht geraten. Die Ernsthaftigkeit in den epischen Meisterwerken, die gekonnt mit folkigen Rhythmen und Melodien kokettiert, macht die Musik der Finnen zu etwas Besonderem. Wo, wenn nicht hier auf dem Ragnarök macht es mehr Sinn, diesem Quintett einen Headlinerplatz einzuräumen?

Diesem werden Moonsorrow leider am heutigen Abend nicht gerecht. Zu einstudiert, zu gestellt, zu routiniert präsentiert sich die Band bei diesem wichtigen Auftritt. Die Macht der Bilder verfliegt dank des leisen, wenig druckvollen PA-Sounds und alle Hoffnungen auf eine Machtdemonstration gehen ein wie Rosen im Winter. 

Die Setlist belanglos, gar überflüssig, da kann ein „Sankaritarina“ als Schlußlied auch nicht retten. „Huuto“, welches mein Favorit auf dem neuen Album ist, kommt live nichtssagend daher. So erscheint es sinnvoller auf den eigentlichen Stellenwert der Band hinzuweisen, als sie mit dieser Review vollends zu zerschlagen, da die eigentlichen Fakten dieses Auftritts sehr schnell aufgezählt wurden. Die Verwandlung eines Individuums in ein hingebungsvolles Werkzeug einer höheren Macht scheint durch die Musik Moonsorrows gegeben, da die epische Breite einlädt sich voll dem Konzept der Band zu ergeben und keinen Anspruch mehr zu haben. Dies gelang neben den CD-Fassungen bei all den zahlreichen Auftritten die ich von dieser Band bisher gesehen habe perfekt. Heute will dieses Zauberwerkzeug einfach nicht funktionieren. So bleibt mir am Ende nur übrig dieses Konzert als überflüssig abzustempeln.

Nach diesem eher ermüdenden Auftritt freue ich mich nun auf die Band, der von meiner Seite am meisten Lorbeeren schon im Vorfeld entgegengeflogen sind: Nachtmystium.

Was lässt sich über Nachtmystium nicht alles berichten? Einzigartigkeit, Individualität, Genialität. Eine musikalische Nische inmitten von gleichförmiger Suppe. Die zur Zeit größte US-Black Metal Band, welche sich zur Zeit auf Tour mit Dark Fortress befindet, gastiert mit dieser Tour auch auf dem Ragnarök Festival und weiß durch den Hype, der dieser Band in letzter Zeit wiederfährt viele Fans aber auch viele Interessierte vor der Bühne zu versammeln. Bei weitem nicht so viele wie gerade noch bei Moonsorrow. Der Verdacht, hier den heimlichen Headliner zu wissen bestätigt sich im Vorfeld nicht. Und auch im Laufe des Gigs soll sich diese Annahme widerlegen. Der zu Beginn miserable Livesound wird auch während des Auftritts nur mäßig besser. Dass die Band Blut der Tourroutine geleckt hat fällt zwar positiv auf, doch all die Bemühungen das Publikum zu packen misslingen, gar hauptsächlich durch den Zustand in dem sich Keyboarder Sanford Parker befindet. Werden sogar fast völlig zerstört. Hier mögen sich die Meinungen teilen, für die einen ist der Auftritt des Keyboarders Belustigung und machen den Gig erst so sehenswert (Zitat: „Bad ass“), für andere wie auch mich ist die Performance ein großer Dorn im Auge und zerschlagen die Vorfreude binnen Sekunden. Diese Person befindet sich in einem so großen Rauschzustand, dass bühnenweite Torkeleien und kindische Mittelfingergestiken sowie eigenartige Mikroständerdeformationen die Folge sind. So zieht Parker alle Blicke auf sich und lenkt somit von der eigentlichen Show mit Bravur ab. Wen wundert es, dass Gitarrist Blake Judd stinkesauer irgendwann „zufällig“ mit voller Wucht in seinen Keyboarder rempelt und diesen fast zu Fall bringt.

Soviel zur Ablenkung, hinzu kommt noch, dass Fans, die Nachtmystium bereits in letzter Zeit sehen konnten bloß eine Set-Kopie erhalten. Tatsächlich ist die Setlist fast die selbe wie letztes Jahr auf dem Party.San. Insofern enttäuschend, hätte ich doch Schmuckstücke wie „Roseclouds of Holocaust“ oder „Life of Fire“ gerne mal live gesehen. Dafür schaffen es wenigstens auch wieder Klassiker wie „Assassins“ oder „Ghosts of Grace“ ins Set, die natürlich jeden besänftigen können. Trotzdem bleibt für mich ein madiges Ergebnis zurück. Dass Nachtmystium es ebenso wie die Tourkollegen Dark Fortress besser können, habe ich bereits miterleben können. Von daher ist diese Show nur schnell aus dem Gedächtnis zu löschen. Für diese Darbietung allerdings Geld zahlen zu müssen ist eine Zumutung.

Zum Glück steht noch eine letzte Band an. Und nach vielen Enttäuschungen am heutigen Tag bin ich froh, dass es sich nun um den Abschluss in Form von Dordeduh handelt. Eine bessere Entscheidung als Dordeduh zum krönenden Abschluss des Festivals zu machen kann einem echt nicht einfallen. Schon 2008 als die unwiederbringliche Besetzung Negura Bungets den eigentlichen Abschluss vom Festival machte, konnten Freudentränen kaum zurückgehalten werden. Ebenso jetzt unter neuem Namen erschaffen die „wahren“ Negura Bunget diese Emotionen. Beeindruckend wie diese Band mit all ihrem Faible für Folkloristik wahre Giganten des atmosphärischen Black Metal in die Menge wirft, die so eigenständig, so unanfechtbar, so dermaßen (Verzeihung für den primitiven Ausdruck) geil sind! Dordeduh verstehen es, jedes Detail ihrer Songs zu einem beeindruckenden Moment zu machen. Da wird jeder markerschütternde Schrei, jeder gesungene Ton, jede bewusste Disharmonie, jeder Schlag aufs Holzbrett zu einer wahrhaftigen Zelebrierung von Kunst im eigentlichen Sinne. Die Provokation derer, die Folk mit Fröhlichkeit gleichsetzen und derer, die Black Metal roh und böse haben wollen. Irgendwo zwischen den Gegenteilen dieser Klischees finden sich Dordeduh wieder und schaffen eine Welt wie es beispielsweise Moonsorrow immer schon taten, bloß dass es den Rumänen im Gegensatz zu den Finnen heute gelingt. 

Mit einer beeindruckenden Treffsicherheit im Spiel und ansprechender emotionaler Zurückhaltung vollführen die Herren und die Dame einen Song nach dem anderen. Und es ist schwer einen herauszupicken, denn alles reiht sich aneinander wie ein einziges zusammengehöriges Werk, das nach Huldigung ruft, dieser aber gleichzeitig auch nicht bedarf. Zu stolz wirken die Noten und Schläge.

Ich könnte noch ewig so weiter philosophieren und mich ergötzen beim Zurückdenken an dieses wunderschöne Monument zeitloser Tonkunst. Doch das würde den Rahmen sprengen. Ich kann es nur jedem empfehlen, sich Dordeduh bei der nächsten Gelegenheit live zu geben, ganz gleich welche Musikrichtung man bevorzugt: Was der Cirque de Soleil in einer Manege, das ist Dordeduh auf einer Bühne. Kunst für jedermann aber immer mit einem Anspruch der Spitzenklasse.

Den Abschluss dieses Festivals macht aber nicht die Seeligkeit nach solch einem wunderschönen Auftritt, sondern Frust, Angst und Fassungslosigkeit. Einen Riesenfehler leistet sich der Veranstalter bei der Wahl der Security-Firma. Die Aktionen derer Mitarbeiter, welche schon während dem Festival für Verdruss gesorgt haben, eskalieren in der Nacht nach dem Festival. Ich spreche hier  von Handgreiflichkeiten in denen bis zu acht Securitys auf einen Wehrlosen eintreten und -prügeln. Ich spreche von frauenfeindlichen Sprüchen auf deren Kritik hin Schwitzkastenaktionen entstehen. Ich spreche von Securities, die Besucher nicht mehr aufs Festivalgelände lassen obwohl die letzte Band gerade erst begonnen hat zu spielen. Ich spreche von Securities, die darauf geschult sind, Merchandise politisch fragwürdiger Bands nicht zu tolerieren und ich auf diesem Festival innerhalb kürzester Zeit Schriftzüge zu sehen bekam, wo ich mich frage warum ein Freund wegen seines Moonsorrow-Patches intensiv beäugt wird (gerade, dass dieselbe Band auf dem Festival auch noch auftritt). Mehrere Vorfälle, für die sich die Veranstalter sogleich nach dem Festival entschuldigte, was in diesem Falle auch keine Floskel war. Denn kann man dem Veranstalter, der das Ragnarök innerhalb kürzester Zeit zu mehr als einer Institution machen konnte, nicht vorwerfen, leichtfertig auf das Wohl seiner Besucher hinwegzusehen, so ist ihm „lediglich“ ein schwerwiegender Fehler unterlaufen diese Security-Firma zu engagieren. Von meiner Seite aus denke ich, dass die Betroffenheit nicht minder groß ist als die der Opfer der „Sicherheit“.

Trotz allem war dieses Festival obgleich das Billing viele Schmankerl und viele Helden miteinander kombinieren konnte ein musikalischer Reinfall. Zu viele Bands zeigten sich von ihrer schwachen Seite und so bleiben am Ende nur die großartigen Momente, die Agalloch, A Forest of Stars, Impiety, Wolfchant, Skyclad und Dordeduh bieten konnten. Auch die Stimmung war im Großen und Ganzen schonmal enthusiastischer gewesen. Schade. Ich hoffe, dass die Bands nächstes Jahr (ich hoffe auf einen Nachholgig von Borknagar, sowie vertraute Combos a la Sólstafir und Alcest) die Patzer der diesjährigen Bands aufheben können. In diesem Sinne bis zum nächsten Jahr! (Surtr)

 

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